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Wie führe ich Beikost ein? Mit oder ohne Brei?

Brei und die klassischen Breifahrpläne sind noch immer weit verbreitet und werden von vielen Gesundheitsexperten empfohlen. Diese Methode hat ihre Wurzeln in der Mitte des 20. Jahrhunderts, als industrielle Babynahrung populär wurde und es praktisch erschien, Babys mit pürierter Nahrung zu füttern. Einen großen Einfluss bei der Verbreitung der Breifahrpläne leistete Johanna Haarer mit ihrem Buch „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“. Haarer empfahl das schrittweise Ersetzen der Stillmahlzeiten durch Breie, um eine klar strukturierte Ernährung sicherzustellen. Sie befürwortete das frühe Abstillen und die Einführung von fester Nahrung ab einem sehr frühen Alter. Sie empfahl, Stillmahlzeiten strikt nach einem festen Zeitplan durchzuführen, ohne Rücksicht auf die individuellen Bedürfnisse des Babys. Haarer betonte, dass die Mutter-Kind-Bindung nicht übermäßig betont werden sollte und propagierte frühe Trennungen und eine Reduzierung der physischen Nähe. Ihre Erziehungsphilosophie legte großen Wert auf Disziplin und Strenge, um das Kind abzuhärten und widerstandsfähiger zu machen. Diese Ansätze stehen im Gegensatz zu modernen, bindungsorientierten Methoden, die das Langzeitstillen als wichtigen Teil der Mutter-Kind-Bindung und der gesunden Entwicklung des Kindes betrachten. Diese Haltung  beeinflusste Generationen von Eltern und hält sich seit langer Zeit. Doch mittlerweile werden die Nachteile der frühen B(r)eikosteinführung und des zeitgleichen Abstillens bezüglich der natürlichen Entwicklungsbedürfnissen von Babys immer bekannter und verbreiten sich. 

In diesem Bild wird deutlich, wie die Beikost die Milchmahlzeiten ersetzt, bis das Kind zu Beginn des 2. Lebensjahres komplett abgestillt ist! Quelle: https://www.dm.de/tipps-und-trends/baby-kleinkind/beikost-ernaehrung/beikost-baby-ernaehrung-49166#text7 (30.06.2024)

Warum die Darmreife so wichtig ist

Die Einführung von Beikost hängt nicht nur von der körperlichen Reife des Babys ab, sondern auch von der Reife des Verdauungssystems. Ein unreifes Verdauungssystem kann Probleme verursachen, da es noch nicht in der Lage ist, feste Nahrung richtig zu verdauen. Dies kann zu Bauchschmerzen, Verstopfung oder Durchfall führen. Die Darmreife ist ein entscheidender Faktor dafür, dass das Baby Nährstoffe aus der Nahrung richtig aufnehmen kann. 

Der Kontakt eines unreifen Darms mit Nahrungsmittel kann langfristige Auswirkungen haben, wie die Entwicklung von Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten, anhaltende Verdauungsprobleme, ein geschwächtes Immunsystem, erhöhte Infektionsanfälligkeit und verzögerte Entwicklung der Darmflora. Zudem kann die Nährstoffaufnahme beeinträchtigt werden, was zu Mangelerscheinungen und Wachstumsproblemen führt. Daher ist es wichtig, auf die Anzeichen der Beikostreife zu achten und nicht zu früh mit fester Nahrung zu beginnen. Das Verdauungssystem eines Babys ist in der Regel ab etwa sechs Monaten ausreichend entwickelt, um feste Nahrung zu verdauen. Auf die Beikostreifezeichen werde ich später im Beitrag genauer eingehen.

Mein persönlicher Erfahrungsbericht

Als ich mein erstes Baby mit drei Monaten bei der Kinderärztin zur U4 vorstellte, sagte sie wortwörtlich zu mir:

🗣️„Nächste Woche wird er 4 Monate? Nächste Woche fangen Sie an mit Brei!“

Als ich meine Bedenken äußerte, dass mein Baby nicht mal ansatzweise bereit dazu sei, erwiderte sie nur:

🗣️„Schaut er Ihnen beim Essen zu? Dann ist er bereit für Brei!“

Was denn mit der Darmreife und den Reifezeichen wäre, wollte ich wissen.

🗣️„Die sind ein Mythos. Der Darm kann sich nur an Nahrung gewöhnen, wenn er damit in Kontakt kommt.“

Auf meine Frage, warum die WHO denn das volle Stillen in den ersten 6 Monaten empfiehlt antwortete sie:

🗣️„Die WHO empfiehlt lediglich für Dritte-Welt-Länder. Dort ist das Wasser verunreinigt und Nahrung knapp, was eine Gefahr für nicht gestillte Babys darstellt.“

Sie erklärte mir den Breifahrplan und wann ich welche Nahrungsmittel einzuführen habe.

Ich hörte mir das Ganze an und verließ kopfschüttelnd die Praxis.

Ich wartete, bis mein Baby 6 Monate alt war und gab ihm das Innere einer Gurke in die Hand. Doch er nahm sie nicht in den Mund. Mein Sohn nahm immer und überall einfach ALLES in den Mund und lutschte daran herum. Nur nicht an dem Essen, dass ich ihm gab. Keine Gurke, keine Banane, keine gedünstete Karotte, nicht mal eine leckere Erdbeere!

Also wartete ich und versuchte es immer mal wieder.

Doch der nächste Kinderarzttermin rückte näher und ich hinkte ihrer Empfehlung schon über 2 Monate hinterher.

Somit ließ ich mich dennoch von ihr beeinflussen. Nachdem mein Sohn noch immer keine feste Nahrung essen wollte, versuchte ich es mit Brei. Ich sah ziemlich schnell, dass mein Baby auch davon nicht begeistert war. Nach ein paar Versuchen, die von seiner Seite mit dem Zungenstoßreflex abgelehnt wurden, ließ ich es bleiben.

An diesem Abend weinte mein Baby. Wir dachten erst, es wären die Zähne. Doch das typische Speicheln und Faust in den Mund stecken blieb aus. Er schrie einfach nur. Das tat er sonst nie! Noch nie in seinen bisherigen 7 Monaten schrie er so dermaßen, offenbar grundlos. Und noch nie hatte er Schwierigkeiten mit der Verdauung, weshalb wir auf die Idee erst gar nicht kamen. Mein Mann und ich fühlten uns machtlos! Wir wechselten uns beim Trösten ab und rätselten weiter. Nach dem Ausschlussverfahren kamen wir zu dem Resultat, dass es Bauchschmerzen sein müssen! Der Bauch fühlte sich hart an und nachdem ich ihn über ein Töpfchen abhielt, konnte er sich erleichtern und langsam beruhigte er sich. 

Ich war der festen Überzeugung, dass es mit dem Brei zu tun haben muss! Denn wie gesagt: noch nie in seinem bisherigen Leben hatte er Schwierigkeiten mit der Verdauung.

Bei meinem nächsten Termin bei der Kinderärztin, der U5, war mein Kind fast 7 Monate alt und verweigerte noch immer das Essen.

Ich berichtete von meinem Versuch, ihm Brei zu füttern und von den katastrophalen Folgen an diesem Abend.

Sie belächelte es und meinte, dass das Schreien keinesfalls mit dem Füttern zu tun habe, schließlich seien nur kleine Mengen im Magen gelandet. Sie fügte hinzu, dass er womöglich meine Unsicherheit spürte und deswegen die Nahrung ablehnte oder sogar deshalb so sehr geschrien hat.

Sie betonte weiter die Wichtigkeit der Nährstoffe, dass Muttermilch nun nicht mehr ausreichte und ich meinem Baby einfach eine Karotte in die Hand drücken solle.

Zum Glück wusste ich, dass rohe Karotten für Babys lebensgefährlich sind… Unfassbar, wenn man bedenkt, dass manche Eltern leider nicht so aufgeklärt sind und auf ihre haarsträubenden Ratschläge tatsächlich hören!!

Spätestens an diesem Tag beschloss ich, meine Kinderärztin schnellstmöglich zu wechseln.

Als mein Sohn über 7 Monate alt war, schaffte er es, selbständig ins Sitzen zu kommen. Und ab diesem Zeitpunkt platzte der Knoten. Er steckte sich endlich nicht nur sämtliche Spielsachen, sondern auch die Lebensmittel in den Mund.

Er hatte noch keine Zähne doch er liebte es, auf gedünstetem Brokkoli, Kartoffeln, zu-Tote-gekochten Nudeln, Hackfleisch, Brot und sämtlichem Obst herumzukauen und Joghurt zu löffeln (beim selbständigen Löffeln landete das meiste natürlich auf dem Lätzchen, dem Stuhl, dem Boden und im kompletten Gesicht… es sah sehr abenteuerlich aus!).

Brei gab es bei uns nur als Notfall-Gläschen im Urlaub.

Warum wir keinen Brei gefüttert haben?

❌ Brei hat eine einheitliche Konsistenz, was die sensorische Entwicklung deines Babys einschränken kann. Das Erkunden verschiedener Konsistenzen ist wichtig für die Entwicklung der Mundmuskulatur.

❌ Wenn du dein Baby mit Brei fütterst, isst es passiv, anstatt selbstständig und aktiv zu essen. Dies kann die Entwicklung der Feinmotorik und Hand-Auge-Koordination einschränken.

❌ Da du als Mama oder Papa die Menge an Brei bestimmst, die du deinem Baby fütterst, kann es leicht zu Überfütterung kommen. Außerdem Wenn dein Baby selbständig isst, lernt es besser, seine eigenen Hunger- und Sättigungssignale zu erkennen und darauf zu reagieren.

❌ Bei gemischten Breisorten können die unterschiedlichen Nahrungsmittel nicht einzeln geschmeckt werden. Dies kann für dein Baby eine unzureichende Geschmackserfahrung bedeuten.

❌ Wenn du dein Baby passiv mit Brei fütterst, kannst du leicht die Beikost-Reifezeichen übersehen. 

  • Dein Baby sollte in der Lage sein, Nahrung zu greifen, zum Mund zu führen und daran zu nuckeln. Das erkennst du nicht, wenn du Brei mit einem Löffel fütterst.
  • Dein Baby sollte den Reflex verloren haben, Nahrung mit der Zunge aus dem Mund zu schieben. Auch das passiert nur dann, wenn dein Baby Nahrung in den Mund geschoben bekommt, für die es noch nicht bereit ist.
  • Außerdem sollte dein Baby mit nur wenig Unterstützung (ein Festhalten an der Hüfte) stabil sitzen können.

Vorteilhaft, aber kein offizielles Reifezeichen, ist das Interesse an dem, was du isst und wenn es vielleicht sogar versucht, nach deinem Essen zu greifen.

Einführung der Beikost nach WHO-Empfehlungen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, dein Baby in den ersten sechs Monaten ausschließlich um stillen. Ab dem sechsten Monat kannst du deinem Baby andere Lebensmittel anbieten, aber bis zum Ende des 2. Lebensjahres weiterhin nach Bedarf stillen.

Warum wird Brei ab dem 4. Monat noch immer empfohlen?

🗣️ Einige Studien darauf hindeuten, dass frühes Einführen von Beikost das Risiko von Allergien senken könnte.

❌ Diese Empfehlung basiert jedoch oft auf veralteten Daten und widerspricht den aktuellen Empfehlungen der WHO.

🗣️ Brei ist einfach zuzubereiten und in verschiedenen Geschmacksrichtungen erhältlich. Du kannst die Menge und die Nährstoffzusammensetzung genau kontrollieren und sicherstellen, dass dein Baby genügend isst.

❌ Wenn du dich ausreichend informierst, kannst du deinem Baby die notwendigen Nährstoffe auch einfach mit rohen, gedünsteten oder gekochten Nahrungsmitteln anbieten. Wichtig ist hierbei auch die richtige Kombination, da bspw. die Eisenaufnahme in. Verbindung mit Vitamin C verbessert wird. Außerdem geht es während dem Beikoststart nicht darum, dass dein Baby genug isst, sondern darum, die Lebensmittel spielerisch zu erkunden und zu erfahren.

🗣️ Brei ist leicht zu essen und erfordert keine besonderen Fähigkeiten seitens des Babys, da er einfach geschluckt werden kann. Viele Eltern haben Angst vor Erstickungsanfällen.

❌ Es ist wichtig, den Unterschied zwischen Erstickungsgefahr und Verschlucken zu verstehen. Verschlucken ist ein normaler Teil des Lernprozesses und zeigt, dass dein Baby lernt, mit Nahrung umzugehen. Einige Lebensmittel solltest du aufgrund der erhöhten Erstickungsgefahr jedoch dringend vermeiden!

Was du stattdessen tun kannst?

Lass dich nicht von den vermeintlichen und überholten Vorteilen überzeugen.

Du solltest die Reifezeichen deines Babys beobachten und erst dann mit der Beikost beginnen, wenn dein Baby diese Zeichen zeigt. Ein langsamer, von deinem Baby bestimmter Übergang zu fester Nahrung ist besser für die langfristige Entwicklung und Gesundheit.

Was ist Baby-led-weaning (BLW)?

BLW ist eine Möglichkeit zur Einführung fester Nahrung, bei dem du das Baby selbst entscheiden lässt, was und wie viel es essen möchte. Anstatt passiv Brei zu füttern, bietest du deinem Baby eine Auswahl an weichen Lebensmitteln an, die es selbstständig erkunden und essen kann. BLW basiert auf der Annahme, dass dein Babys, wenn es entwicklungsbedingt bereit ist, feste Nahrung zu sich zu nehmen, selbstständig essen kann und will. Wichtig ist bei diesem Konzept, dass dein Baby von Anfang an am Familientisch teilnimmt und mit euch gemeinsam isst. Du kannst dabei die Lebensmittel anbieten, die ihr selbst esst oder kannst diese auch etwas abwandeln. Du solltest dabei aber auf Zucker, Fertiggerichte und Fast-Food verzichten und auf eine salzarme Ernährung achten..

Vorteile von BLW

✅ Feste Nahrung fördert die Selbständigkeit deines Babys. Es ermöglicht es deinem Baby, selbst zu entscheiden, was und wie viel es essen möchte. Diese Methode fördert die Feinmotorik und Hand-Auge-Koordination deines Babys, da es lernt, Nahrung zu greifen, in den Mund zu führen und zu kauen.

✅ Mit fester Nahrung wird dein Baby von Anfang an an verschiedene Konsistenzen und Geschmacksrichtungen gewöhnt. Dies kann dazu beitragen, dass es später weniger wählerisch ist und eine breite Palette von Lebensmitteln akzeptiert.

✅ Mit BLW kannst du dein Baby direkt an den Mahlzeiten eurer Familie teilnehmen lassen und es kann das gleiche Essen genießen. Dies stärkt die Bindung und macht das Essen zu einer gemeinsamen, positiven Erfahrung.

✅ Dein Baby lernt beim selbstständigen und aktiven Essen auf seine eigenen Hunger- und Sättigungssignale zu hören. Dies kann zu gesünderen Essgewohnheiten führen, da es von Anfang an ein gesundes Verhältnis zu Nahrung entwickelt.

✅ Das Einspeicheln von Nahrung ist ein wichtiger Prozess, da der Speichel Enzyme enthält, die die Verdauung unterstützen. Kauen fördert die Entwicklung der Kiefermuskulatur deines Babys und kann dazu beitragen, seine Zähne gesund zu halten und Fehlstellungen vorzubeugen. Durch das Kauen werden zudem die Zahnfleischdurchblutung und die allgemeine Mundgesundheit gefördert.

Stillen während der Beikosteinführung

Während der Beikosteinführung solltest du dein Baby weiterhin nach Bedarf stillen. Da es anfangs um ein spielerisches Erkunden der Lebensmittel geht, sollte dein Baby nicht zu hungrig am Tisch sitzen. Du kannst dein Baby anfangs 30 Minuten vor den Mahlzeiten stillen. Diesen Abstand kannst du mit der Zeit vergrößern.

Du kannst deinem Baby außerdem 30-60 Minuten nach den Mahlzeiten die Brust anbieten, da Muttermilch den Darm deines Babys bei der Verdauung unterstützt. 

Denke immer daran, dass Muttermilch im ersten Lebensjahr das Hauptnahrungsmittel ist und dein Baby alle wichtigen Nährstoffe darüber abdeckt! Ist dein Baby termingerecht geboren, ist sein Eisenspeicher im Normalfall für das erste Jahr in Verbindung mit Muttermilch ausreichend gefüllt (Ausnahme sind hier Frühgeborene Babys).

Fazit

Baby-led Weaning bietet eine wunderbare Möglichkeit, dein Baby in die Welt des Essens einzuführen. Diese Methode fördert die Selbstständigkeit, ermöglicht die Teilnahme an Familienmahlzeiten und hilft deinem Baby, gesunde Essgewohnheiten zu entwickeln. Wenn du bereit bist, dich auf das Abenteuer BLW einzulassen, wirst du sehen, wie viel Freude es macht, dein Baby dabei zu beobachten, wie es neue Lebensmittel entdeckt und lernt, selbstständig zu essen. Wichtig dabei ist, dass du auf eine ausgewogene Ernährung und die richtige Zusammensetzung der Lebensmittel achtest. Viele Eltern scheuen sich vor BLW, weil sie Angst haben, ihr Kind könnte sich verschlucken oder gar ersticken. Hier muss ich darauf hinweisen, dass das Verschlucken dazugehört. Babys verschlucken sich auch am Brei oder sogar beim Stillen an der Brust. Das hat nichts mit Ersticken zu tun! Es ist extrem wichtig, dass du dich vorab über verbotene und gefährliche Lebensmittel informierst.

Einen Erste-Hilfe-Kurs für Babys und Kleinkinder zu absolvieren empfehle ich unabhängig davon jeder Mama und jedem Papa!

So gehst du dieser Gefahr aus dem Weg!

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