Teil 2 der Serie《Entwicklungsförderung im 1. Lebensjahr》
🥣 1. Ernährung ist mehr als satt werden
Ernährung ist im ersten Lebensjahr viel mehr als das Füttern von Kalorien. Es ist Nähe, Regulation, Geborgenheit und Sicherheit. Nicht nur beim Stillen sondern auch beim Fläschchen geben
Dein Baby lernt durch jede Mahlzeit: Ich werde gesehen. Ich bin sicher. Es reagiert jemand auf meine Bedürfnisse.
Ganz egal, ob du stillst oder das Fläschchen gibst, Brei fütterst oder Fingerfood: Es geht nicht nur um die Art der Nahrung, sondern darum, wie du diese Momente gestaltest. Wird dein Baby begleitet? Darf es sein eigenes Tempo finden? Bleibt es ein schöner Moment in Verbindung – auch, wenn das Essen mal nicht „nach Plan“ läuft?
Viele Eltern erleben in dieser Zeit Verunsicherung: Wie oft soll mein Baby trinken? Wann beginne ich mit Beikost? Darf es noch stillen, wenn es schon isst? Muss ich mein Baby zum Essen „motivieren“?
Die gute Nachricht: Du musst nicht alles perfekt machen. Es geht nicht einfach um Regeln, sondern um eure Beziehung dabei.
Achtsame Ernährung heißt:
💞 Du achtest auf die Signale deines Babys.
💞 Du erkennst, wann es Hunger hat – und wann es satt ist.
💞 Du gibst nicht vor, sondern begleitest.
💞 Du machst aus jeder Mahlzeit eine Beziehungssituation.
Wenn dein Baby sich sicher fühlt, darf es sich ausprobieren – ohne Druck. Und genau das ist wichtig.
🤱 2. Stillen nach Bedarf
In den ersten Monaten ist das Stillen weit mehr als nur Ernährung – es ist Regulation, Nähe und ein sicherer Hafen in der neuen Welt. Dein Baby kommt hilflos auf die Welt, mit starker Abhängigkeit von dir. Mit einem starken Bedürfnis nach Körperkontakt und Verbindung – das Stillen erfüllt all das gleichzeitig.
Stillen nach Bedarf heißt: Du folgst den Zeichen deines Babys – nicht der Uhr. Hungerzeichen erkennst du schon früh: durch Suchbewegungen, Schmatzen oder Fäustchen lutschen. Wenn du direkt darauf reagierst, kann dein Baby ruhig und entspannt trinken. Gleichzeitig darf es sich auch dann melden, wenn es nicht unbedingt Hunger hat – sondern Saugen möchte, um das Bedürfnis noch Nähe und Beruhigung zu stillen oder Regulation braucht.
Einschlafstillen ist kein Problem, sondern ein Hilfsmittel.
Viele Babys stillen in den Schlaf – weil es beruhigt, Sicherheit gibt und das Nuckeln das Einschlafen erleichtert. Einschlafstillen ist etwas Wunderbares, solange es sich für euch stimmig anfühlt. Es ist keine „schlechte Angewohnheit“, sondern eine hilfreiche und ganz natürliche Einschlafbegleitung.
Auch in der Nacht ist Stillen mehr als Nahrung.
Babys verarbeiten nachts Eindrücke, brauchen Rückversicherung und Regulation. Stillen ist oft das schnellste und sanfteste Mittel, um wieder zur Ruhe zu kommen – nicht nur wegen der Milch, sondern wegen der Nähe, der Wärme, des Herzschlags.
Und wenn dein Baby ständig nuckeln möchte?
Dauernuckeln bedeutet nicht, dass du etwas falsch machst. Es kann Ausdruck von einem erhöhten Nähebedürfnis aufgrund von Wachstumsschüben oder ein erhöhtes Regulationsbedürfnis sein. Achte darauf, wie es sich für dich anfühlt. Wenn du merkst, dass es dich erschöpft, darfst du liebevoll Grenzen setzen – ohne deinem Baby etwas wegzunehmen. Mit guter Vorbereitung, einem konkreten Plan und innerer Sicherheit profitiert ihr alle davon.
Achtsames Stillen in den ersten Monaten heißt also: Deinem Baby Milch, Nähe, Zuwendung und Verständnis schenken.
🍼 3. Achtsam Fläschchen geben
Musst oder willst du das Fläschchen geben, heißt das nicht, dass du dein Baby weniger liebst oder eure Bindung weniger sicher ist. Doch auch das Füttern mit der Flasche sollte eine Bindungssituation darstellen. Leider wird den meisten Mamas nicht gezeigt, worauf sie dabei achten können!
Paced Bottle Feeding – bindungsorientiert Fläschchen geben
Möchtest du dein Baby achtsam mit dem Fläschchen nähren, orientierst du dich an dem natürlichen Rhythmus des Stillens.
Folgende Punkte solltest du beachten:
➡️ Halte dein Baby in leicht aufrechter Position.
➡️ Halte das Fläschchen waagerecht, so dass der Sauger zur Hälfte mit Milch gefüllt ist.
➡️ Lass dein Baby langsam trinken, mit kleinen Pausen und selbstbestimmten Tempo.
➡️ Achte auf Signale, mit denen dir dein Baby zeigt, ob es noch Hunger hat oder satt ist.
So entsteht kein „Verschlucken“ oder Überfüttern, sondern eine bewusste, achtsame Füttersituation.
➡️ Wechsle regelmäßig die Seite (wie beim Stillen) und schenke deinem Baby deine volle Aufmerksamkeit. So entsteht Bindung.
🍽️ 4. Achtsam füttern mit Brei
Die Einführung von Beikost ist ein großer Entwicklungsschritt – und auch diese Füttersituation sollte mit ganz viel Achtsamkeit gestaltet werden. Dabei geht es nicht um möglichst schnelle Nahrungsaufnahme, sondern um spielerisches Kennenlernen und liebevolle Begleitung.
Warten auf echte Reifezeichen
Beikostreife ist individuell und die Beikostreifezeichen zeigen dir, dass dein Baby körperlich und emotional bereit für Nahrung ist.
Entscheidest du dich für das Füttern mit Brei, kannst du einige Dinge beachten, um ein achtsames Nähren und Selbstbestimmung zu fördern:
👉 Nimm dir Zeit
👉 Lass dein Baby das Tempo mitbestimmen
👉 Füttere langsam, mit Blickkontakt
👉 Lass dein Baby teilhaben mit einem zweiten Löffel oder mit den Händen
👉 Lass dein Baby aktiv teilnehmen, indem du den Löffel anbietest und dein Baby aktiv essen lässt
👉 Achte auf Signale für “ich bin satt”
So fühlt sich dein Baby gesehen und beteiligt – statt passiv und hilflos.
Wieviel ist genug?
Milch ist das Hauptnahrungsmittel im 1. Lebensjahr. Die Beikostzeit ist ein spielerisches Kennenlernen, bei den es nicht um eine bestimmte Menge geht, die gegessen werden muss. Vielmehr solltest du langsam starten, um den Darm deines Babys nicht zu überfordern.
Was achtsames Füttern bedeutet:
- kein Ablenken beim Füttern
- keine „Flugzeuge“ oder „ein Löffel für die Oma“
- kein Zwang, kein Lob für „viel essen“
- sondern: Respekt für den Hunger und Sättigungspunkt deines Babys
🍌 5. Baby-led Weaning – Selbstwirksamkeit stärken
Baby-led Weaning (Übersetzt: Babygeleitete Entwöhnung / Beikosteinführung, kurz: BLW) bedeutet, dass dein Baby von Anfang an selbst isst – mit den Händen und Besteck, in seinem eigenen Tempo, nach seinem eigenen Geschmack. Es bekommt keine Breie gefüttert, sondern isst direkt am Familientisch mit.
Das Wichtige dabei: Dein Baby trifft eigene Entscheidungen. Es erkundet, probiert, lutscht und spuckt wieder aus – und lernt dabei so viel mehr als nur „essen“:
- Selbstwirksamkeit fördern: Wenn dein Baby selbst wählt, wie viel es isst, was es probieren möchte und wann es genug hat, erlebt es, dass sein Handeln zählt. Es darf sich selbst spüren, Grenzen setzen und neugierig sein.
- Achtsamkeit am Familientisch: BLW ist keine „Methode“, sondern eine Haltung. Dein Baby sitzt mit euch am Tisch, bekommt das Gleiche wie ihr (angepasst) und ist Teil der Familienmahlzeit – nicht Passiv in einer Füttersituation.
- Kein Wettessen und keine Löffelspiele: Die Verantwortung dafür, was dein Baby bekommt, liegt bei dir – wie viel und ob überhaupt, entscheidet dein Baby selbst. So entwickelt es ganz nebenbei ein gesundes Essverhalten.
- Sicherheit geht vor: Natürlich braucht BLW Vorbereitung: dein Baby muss beim Essen aufrecht sitzen und seine Füße sollten Bodenkontakt haben, damit ihm beim Verschlucken das Abhusten leichter fällt. Außerdem musst du dich gut über geeignete Lebensmittel, Stückgrößen und Erste Hilfe bei Verschlucken informieren.
Baby-led Weaning ist eine wunderbare Möglichkeit, wie dein Baby mit allen Sinnen essen, lernen und wachsen kann.
👶 6. Stillen & Fläschchen ab dem zweiten Halbjahr – Nähe bewahren trotz Veränderung
Mit dem Start der Beikost beginnt ein großer neuer Abschnitt – aber die Milch bleibt weiterhin wichtiger Bestandteile im Alltag deines Babys. Auch wenn es langsam anfängt, feste Nahrung zu entdecken, bedeutet das nicht, dass die Milchmahlzeiten verschwinden müssen. Schon gar nicht von heute auf morgen
🧬 Warum das Trinken weiterhin wichtig ist:
🍼 Wichtig beim Fläschchen: Behalte das Flasche geben als bewussten Bindungsmoment bei. Auch wenn dein Baby die Flasche selbst halten kann, drücke sie ihm nicht einfach in die Hand. Setz dich mit ihm hin, halte Blickkontakt, sprich mit ihm – genauso wie beim Stillen. Sucht euch einen ruhigen Rückzugsort, der euch beiden gut tut, und vermeidet Ablenkung durch Spielzeug oder Medien.
🤱🏼 Stillen nach Bedarf wird auch ab dem zweiten Lebenshalbjahr weiterhin empfohlen – das gilt jedoch nicht im gleichen Maß für Flaschennahrung. Beim Stillen reguliert dein Baby selbst die Menge, Dauer und Häufigkeit. Es trinkt nicht nur zur Nahrungsaufnahme, sondern auch zur Beruhigung, zur Regulation und zum Bindungsaufbau. Die Zusammensetzung der Muttermilch passt sich zudem den Bedürfnissen deines Kindes an – auch über das erste Lebenshalbjahr hinaus. Sie enthält wichtige Abwehrstoffe, Enzyme und Fettsäuren, die das Immunsystem unterstützen, besonders in sensiblen Phase wie z. B. bei Krankheit, beim Zahnen oder großen Veränderungen. Gerade wenn dein Kind krank ist und kaum essen möchte, wird Stillen besonders wertvoll.
Bei der Flasche fehlt diese individuelle Anpassung. Die Pre-Nahrung bleibt in ihrer Zusammensetzung immer gleich – sie bietet keine immunologischen oder entwicklungsbezogenen Vorteile mehr, sobald die Beikost gut eingeführt ist. Deshalb wird sie im zweiten Lebensjahr nicht mehr als notwendiger Bestandteil der Ernährung angesehen, wenn dein Kind ausreichend andere Nahrung zu sich nimmt. Nächtliches Füttern kann auch im zweiten Lebensjahr weiterhin sinnvoll und notwendig sein. Manche Kinder brauchen nachts noch Nahrung – sei es zur Regulation, zum Trost oder tatsächlich zur Nährstoffversorgung, vor allem in Zeiten von Wachstumsschüben oder wenn tagsüber weniger gegessen wurde. Ob dein Kind nachts Nahrung braucht, lässt sich nicht pauschal sagen – es ist individuell und darf beobachtet werden.
Nächtliches Stillen ist in Ordnung – solange es sich für dich stimmig anfühlt. Wenn du dich dabei wohlfühlst, darf das nächtliche Stillen ein fester Bestandteil eurer Bindung und Regulation bleiben. Es darf aber auch verändert werden, wenn du dich überlastet fühlst. Dabei musst du nicht gleich abstillen oder dein Baby schreien lassen – es gibt bindungsorientierte Wege, um nächtliches Stillen sanft zu verändern.
In meinem Begleitprogramm „Babystarke Eltern“ unterstütze ich dich dabei, genau diesen Weg zu finden: individuell, feinfühlig und ohne starren Plan – sondern angepasst an eure Bedürfnisse und eure Situation.
💡 7. Was verunsichern kann – und was wirklich zählt
Gerade rund um das Thema Ernährung gibt es viele Meinungen – von Experten, Verwandten oder von anderen Eltern. Manchmal hilft das – manchmal macht es aber nur Druck.
🔁 Erwartungen von außen – und dein innerer Kompass
„Dein Baby sollte doch jetzt schon…“ – diesen Satz hören Eltern oft. Aber jedes Kind ist anders. Wenn dein Baby noch viel stillt oder kaum Interesse an fester Nahrung zeigt, bedeutet das nicht, dass etwas nicht stimmt. Genauso ist Interesse am Essen alleine kein Zeichen für Beikostreife.
📅 Der „richtige“ Zeitpunkt – gibt es den überhaupt?
Beikostreifezeichen, WHO-Empfehlungen, Essenspläne … all das kann Orientierung geben – aber kein Kalender weiß besser, was dein Baby braucht, als dein Baby selbst. Wenn du beobachtest, was es zeigt und braucht, findest du euren passenden Zeitpunkt.
🌿 Dein Bauchgefühl zählt