Bindung & emotionale Entwicklung

Teil 1 der Serie 《Entwicklungsförderung im 1. Lebensjahr》

Es ist eines der Themen, das in meinen Kursen und Beratungen immer wieder auftaucht:

Schade ich der Bindung, wenn mein Baby weint …?

😰 weil wir gerade eine Veränderung anstreben – z. B. beim Schlaf oder beim Abstillen?

😰 weil ich meine eigenen Bedürfnisse erfülle und vorne anstele, während es weint?

😰 weil ich möchte, dass auch Papa zur Bindungsperson wird und das Baby sich an ihn gewöhnt?

Und genauso oft kommt die andere Seite:

Verwöhne ich mein Kind oder gewöhne ich ihm etwas „Schlechtes“ an, …

💗 wenn ich es immer in den Schlaf stille oder trage?

💗 wenn ich es nicht beim Papa oder den Großeltern lassen möchte, wenn es dort weint?

💗 wenn ich es immer auf den Arm nehme, wenn es das möchte und es sich kaum ablegen lässt?

💗 wenn ich es immer an meiner Seite schlafen lasse, anstatt im eigenen oder im Beistellbett?

Bindung und bindungsorientierte Erziehung sind Eltern in den letzten Jahren wieder wichtig geworden. Aber für viele ist das mit einer enormen Verunsicherung und Anstrengung verbunden. Denn die Generation vor uns wuchs größtenteils mit ganz anderen Erziehungsweisheiten auf:

💔 Nicht zu viel Nähe geben

💔 Kinder nicht zu sehr mit Liebe verwöhnen

💔 Nicht immer gleich auf das Weinen reagieren.

💔 Nicht zu viel und nicht zu lange stillen und bloß nicht nuckeln lassen!

💔 Dein Baby muss ins eigene Bett und durchschlafen 

Diese Haltung wirkt bis heute nach, denn die Generationen vor uns sind davon teilweise tief geprägt. Jetzt kommen wir und machen es anders. Gleichzeitig stellen wir dadurch deren Erziehungsstil in Frage und kritisieren ihn. Kein Wunder, dass sie sich davon angegriffen fühlen! Hier prallen Welten aufeinander! 

Wir müssen gegenseitig Verständnis aufbringen und gleichzeitig immer wieder versuchen, aufzuklären. Mit diesem Beitrag möchte ich dir Sicherheit geben.

Ich möchte die Fragen aufgreifen, die mir immer wieder gestellt werden und möchte dich bestärken – damit du selbstbewusst auf Vorwürfe reagieren kannst wie z. B. „Du gewöhnst deinem Kind etwas an, das du nie mehr loswirst!“ Damit du dich nicht verunsichern lässt, wenn du dein Kind feinfühlig begleiten möchtest und nicht auf die falschen Ratschläge reinfällst!

Du erfährst in diesem Artikel:

✅ was Bindung eigentlich bedeutet – und warum sie so wichtig ist

✅ woran du eine sichere Bindung im Alltag erkennst

✅ wie du eure Bindung im Alltag stärken kannst

✅ welche Ratschläge du in den Wind schießen solltest

✅ wie du eine sichere Bindung aufbaust und gleichzeitig deine eigenen Bedürfnisse nicht vernachlässigst. 

Los geht’s!

Was bedeutet Bindung überhaupt?

Bindung ist die emotionale Verbindung, die dein Baby zu dir aufbaut. Das passiert nicht von heute auf morgen und auch nicht in einem bestimmten Moment oder einer speziellen Situation.

Wenn du deinem Baby das Gefühl gibst: 

💝 Du bist nicht alleine. Ich bin für dich da!

💝 Ich beschütze dich und pass auf dich auf!

💝 Bei mir bist du sicher!

💝 Ich liebe dich ohne Bedingungen!

Dieses Gefühl gibst du deinem Baby im Alltag

👉 durch feinfühliges Reagieren auf Bedürfnisse

👉 durch Blickkontakt, der Verbindung schafft, 

👉 durch Körperkontakt und Berührungen 

👉 durch geduldiges Begleiten negativer Gefühle

Aber warum ist Bindung so wichtig?

Eine sichere Bindung ist die Grundlage für alle anderen Entwicklungsbereiche!

Um das zu veranschaulichen, stell dir mal vor, dein Kind kommt irgendwann in die Schule und soll dort lernen. Es hat jedoch eine*n Lehrer*in, der*die keinerlei Verbindung zu deinem Kind aufbaut, die (im Gegenteil) negative Gefühle bei deinem Kind auslöst, wie z. B. Angst oder einfach ein Unwohlsein, weil diese Fachkraft ihn in der Schule nicht wertschätzt, nicht ernst nimmt und ihn vielleicht sogar vor der ganzen Klasse bloßstellt. Vielleicht hast du das als Kind auch selbst erlebt. In diesem Zustand wird es deinem Kind unheimlich schwer fallen, den Unterrichtsstoff zu lernen. Es wird diese Lernsituationen mit negativen Gefühlen assoziieren und der Stress in dieser Situation führt dazu, dass dein Kind aus der Situation fliehen möchte, anstatt zu verweilen. Negative Situationen möchten wir nicht erinnern, somit wird es sein Gehirn schwer haben, sich den gepauckten Stoff zu merken.

Andersherum wäre es, mit einer Fachkraft in der Schule, die dein Kind ernst nimmt, wahrnimmt, wert schätzt. Sich auf Augenhöhe begibt und Sicherheit ausstrahlt. Dein Kind wird diese Person mögen, Vertrauen entwickeln und eine Bindung aufbauen. Das Lernen wird deinem Kind leichter fallen, da es sich mit dieser Person wohl fühlt, ihr gerne zuhört und gerne mitarbeitet.

Und so kannst du das auch auf das Babyalter beziehen: wenn sich dein Baby wohl und sicher fühlt, wird es gestärkt sein, sich in den anderen Bereichen Motorik, Sprache, Kognition, usw.. zu entwickeln. Es muss seine Kraft nicht dazu aufwenden, ständig mit Stress zu kämpfen und Aufmerksamkeit zu suchen, sondern kann seine Energie darauf verwenden, das Krabbeln zu lernen oder dir beim Sprechen zuzuhören.

Bindung und emotionales Wohlbefinden sind die Grundlage für Lernen! Egal in welchem Alter!

Hat dein Baby eine sichere Bindung zu dir aufgebaut, 

✅ ist es neugieriger und lernbereiter,

✅ kann es sich besser regulieren,

✅ geht es positiv und gestärkt in andere Beziehungen (z.B. zu den Fachkräften in Kita und Schule)

✅ ist es resilienter gegenüber emotionalen und sozialen Herausforderungen und Konflikten

✅ wird es ein besseres Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen entwickeln 

Und das bis ins Erwachsenenalter hinein!

Du legst damit jetzt im Babyalter quasi den Grundstein für alles, was danach kommt, damit es dein Kind später einfacher haben wird!

Woran erkenne ich eine sichere Bindung?

Wenn dein Baby auf die Welt kommt, ist es hilflos. Es braucht eine*n starke*n Beschützer*in, die*der es wärmt, hält, füttert, säubert, pflegt, mit ihm kommuniziert (verbal und nonverbal) und es koreguliert. In der Regel (und auch im weiteren Text) bist das du, die Mama oder der Papa.

Dein Baby kennt dich (in der Regel) bereits aus dem Mutterleib, es kennt deine Stimme, du bist ihm vertraut. Und nach der Geburt wird es dir in die Augen schauen, auf deine Stimme und deine Mimik reagieren, dich riechen.

Weint dein Baby, dann weil es etwas braucht. Weil es ein Bedürfnis ausdrücken möchte, weil es nach dir ruft, damit du ihm hilfst. Und jedes Mal, wenn du prompt und feinfühlig darauf reagierst, stärkst du eure Bindung ein Stückchen mehr.

Du wirst irgendwann merken,

✅ dass sich dein Baby beruhigt, wenn du es hoch nimmst, weil es sich in deinen Armen wohl fühlt.

✅ dass es lächelt, wenn es dich sieht und wenn du es anlächelst.

✅ dass es sich vielleicht lautstark beschwert, wenn du den Raum verlässt und sich freut, wenn du zurück kommst.

✅ dass es sich für die Umgebung interessiert und offen ist, wenn du da bist.

Das alles sind kleine Zeichen einer sicheren Bindung!

Wie kann ich die Bindung im Alltag stärken?

Die Bindung zu stärken ist ein Prozess. Es kommt nicht auf den einen perfekten Moment an und auch nicht auf die eine „verpatzte“ Situation, die die Bindung plötzlich zerstören könnte!

Nora Imlau hat die schöne Metapher eines dicken Schiffstaus genutzt: Bindung ist kein dünner Faden, der reißt und zerstört ist, wenn mal etwas nicht perfekt läuft. Bindung baut sich wie ein Schiffstau aus vielen Seilen auf, die miteinander verflochten sind. Selbst wenn mal ein Seil reist, geht das Tau nicht kaputt! Also selbst wenn du in einer Situation nicht prompt und feinfühlig reagiert hast, zerstörst du damit nicht die komplette Bindung! Und das Tau kann auch jederzeit geflickt werden, damit es wieder durch und durch stabil ist!

Wichtig ist also, dass du 

💞 auf das Weinen und die Bedürfnisse deines Babys zuverlässig reagierst

💞 mit deinem Baby kommunizierst mit Worten, Blicken, Mimik und Gestik,

💞 in Pflege- und Füttersituationen für dein Baby da bist, dabei feinfühlig und achtsam mit ihm umgehst und kommunizierst

💞 es zum Einschlafen begleitest und zum Weiterschlafen und Aufwachen präsent bist, denn das Schlafen stellt für Kinder eine Trennungssituation dar

💞 in euren Tagesablauf kleine Rituale einbaust, die deinem Baby Verlässlichkeit und Sicherheit geben.

Das war’s im Großen und Ganzen auch schon!

All diese Dinge fühlen sich für dich höchstwahrscheinlich selbstverständlich an. Aber gleichzeitig wird uns von außen häufig etwas anderes empfohlen:

💔 das Baby schreien lassen, damit es alleine ein- und durchschläft 

💔 nach Uhrzeit und nicht nach Bedarf stillen

💔 beim weinen nicht gleich rennen, denn schreien stärkt die Lungen! 

💔 das Baby im eigenen Bett schlafen lassen, damit es im Ehebett nicht stört

💔 kein Tragen, Nuckeln oder Familienbett als schlechte Angewohnheit antrainieren

Wir wissen nun: All das sind Dinge, die der Bindung schaden!

Selbstfürsorge & Bindung schließen sich nicht aus

Wenn du dein Kind bindungsorientiert erziehen möchtest, heißt das nicht, dass du dich selbst vernachlässigen und aufopfern musst.

Viele Eltern vertreten die Meinung, dass es bei der bedürfnisorientierten Erziehung darum geht, dass die Bedürfnisse aller Beteiligten erfüllt werden. Das ist allerdings ein Trugschluss. Gerade wenn dein Baby noch sehr klein ist, ist es sehr wichtig, die Bedürfnisse zuverlässig zu stillen.

Wir Erwachsenen sind in der Lage, unsere Bedürfnisse zu verschieben. Unsere Kinder können das nicht (bzw. ab einem gewissen Alter in Maßen). Die Bedürfnisse deines Babys stehen somit immer an erster Stelle!

Das bedeutet jedoch nicht, dass du dich selbst vernachlässigen musst! Die Bedürfnisse deines Babys und deine können nacheinander erfüllt werden.

Wenn du ein Baby hast, das sich nicht so leicht ablegen lässt und eine enge Bindung verlangt, kannst du dich z.B. vorbereiten:

➡️ Stelle dir etwas zu trinken, essen und lesen in deine Stillecke, damit du dich in Clusterphasen wohl fühlen kannst.

➡️ Bereite dir am Abend bereits den Kaffee für morgens vor, damit du nur noch einen Knopf drücken musst (das geht auch super mit einer Hand).

➡️ Stelle dir Ablegemöglichkeiten in jedem Raum zur Verfügung mit unterschiedlichem Spielmaterial, das nicht langweilig wird (z.B. Spieldecke, Wippe oder Babybadewanne in Bad und Küche).

➡️ Bleib liegen und ruhe dich aus, wenn dein Baby schläft.

➡️ Überlege dir in jeder Situation, die dich stresst, was dir helfen könnte.

➡️ Nimm dich selbst wichtig und bringe mit guter Vorbereitung und Planung alle Bedürfnisse so gut es geht unter einen Hut.

➡️ Tausche dich mit anderen Mamas aus, die ebenfalls bindungsorientiert erziehen.

In meiner kostenlosen Community findest du

✅️ Austausch mit anderen Eltern,

✅️ hilfreichen Input für den Alltag,

✅️ inkl. Mini-Kursen und

✅️ wertvollen Live-Sessions mit individuellen Impulsen.

Mit dem Mini-Kurs Babyzeichensprache kannst du dein Baby zum Beispiel spielerisch in der Sprachentwicklung unterstützen.

Ich freue mich, wenn du dabei bist. 🤗

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